Krimi jetzt

Samstag jetzt


Ich finde das auch nicht schön.
Und meine Frau auch nicht. Und wenn das überhaupt jemand schön findet, dann überlege ich mir, dem eins zu hauen. Ist doch wahr. Es war wegen einer Lösung. Eine Lösung. Vielleicht war es ja symbolisch gemeint. So wie wenn einer sehr viel Stolz hat und ein anderer nimmt seine Frau, daß er den dann ersticht und ihm sein Geschlechtsteil abschneidet und zwischen die Zähne klemmt. Zahn um Zahn sagt man ja auch. Und wenn jeder so sagt und denkt auch, dann haben wir bald kein Geschlechtsteil mehr am richtigen Ort und müssen alle mit Gebiß rumlaufen.
Eine Lösung. Ich hab auch schon mit sowas zu tun gehabt. Hab den Schrank in unserem Wohnzimmer abgebeizt und dabei den Teppich ruiniert. Der Schrank ist schön geworden. Stehn so Sachen drin wie Geschirr für Sonntags und Ständer für Kerzen. Über dem Teppich liegt jetzt ein Läufer. So einer mit bunten Knoten drin. Ich mag solche Läufer. Da sieht man den Dreck nicht so und muß nicht so viel Staubsaugen. Das ist nämlich meine Aufgabe in unserem Haushalt. Nur Läufer in der Wohnung fänd ich am besten. Aber kann man ja nicht machen sowas. Auf einen Läufer paßt kein Sofa und kein Bett und rein gar nichts. Nur jemand, der von A nach B läuft. Höchstens mal vor dem Schrank stehen bleibt Sonntags und Geschirr rausholt. Spülen ist auch meine Aufgabe. Buntes Porzellan mag ich auch. Glas mag ich nicht. Bis auf für Kaffee. Daß wir keine Spülmaschine haben, das liegt daran, daß meine Frau schon immer gerne ausziehen will. Und da lohnt es sich nicht noch vorher eine zu kaufen. Muß man dann nur rumschleppen. Wir wohnen jetzt seit zehn Jahren in der Wohnung. Ich finde das blöd mit dem bald ausziehen.
Ja und dann ging die Tür zu dem Haus im Hof hinten auf und raus kam der Markus. Er wohnt über den Garagen, mit seiner schwedischen Freundin, von der ich den Namen nie weiß. Ist ein kleines Haus, mit zwei Parteien bloß, und runtergekommen. Wenn trocken und warm ist, dann ist gut sagt der Markus. Wenn's regnet und kalt ist, dann kommt der Regen durch die Wände und die Kälte natürlich. Kannst du heizen wie du willst, die Kälte da draußen lacht sich was. In Schweden gehen sie da in die Sauna und lachen auch. Hat jeder eine Sauna da. Toll. Bei uns gibt's sowas nicht. Bei uns gibt's das Müllersche Volksbad. An der Isar unten. Voksschwitzen. Hepatitis-Herd. Scheiße das. Einmal schwitzen und schon weg vom Fenster. Und Schuld hat die Verwaltung hier von dem Haus. Verwaltet kaputte Wohnungen, echt. Der Oberverwalter erzählt einem was von alles top hier und wenn nicht dann selber machen. Scheiße das, echt. Kost ja alles. Wenn ich mal nicht mehr hier wohne und den zwischen die Finger krieg dann, dann kann er was erleben aber. Zehn Jahre selber machen. Kann er sich warm anziehn dann. Ist doch wahr. Würd ich gerne verleumden jetzt hier, den Arsch. Seinen Namen groß hinschreiben. Aber darf man ja nicht. Kellerstraße 15 sag ich bloß. Kellerstraße 15, das ist erlaubt, und jetzt zurück in den Hof hinten. Genau. Hab ich mir jetzt Luft gemacht. Mußte sein mal. Zehn Jahre, der Arsch. Das einzige was hier top ist, das sind die Hofpflanzen, weil der Hausmeister sich kümmert den ganzen Tag. Ist Italiener und hat die deutschen Konzentrationslager nicht verkraftet, damals. Heute ist er es, den keiner verkraftet. Bis auf die Pflanzen im Hof, die freuen sich. Wenn er Engländer wär würd er vielleicht Prinz sein und Charles heißen. Brauchst du eine halbe Stunde bis du raus hast, was er dir klarmachen will. Zum Beispiel daß jemand am Abend vorher die Tür zum Hof hinten nicht zugemacht hat. Oder daß die vom zweiten Stock links keinen Fußabtreter haben und den vom Nachbarn benützen. Und wenn du dich mit ihm anlegst, dann pißt er dir vor die Tür wenn's dunkel ist, angeblich. Anstrengend, echt, aber die Pflanzen im Hof, die sind top. Genau, jetzt aber zurück endlich. Zum Hof und dieser Sache da die passiert ist. In der zweiten kaputten Wohnung über den Garagen hinten, da wohnt die Janette, mit einem Riesenbalkon, um den sie jeder beneidet hier bei uns. Eine Birke steht auf dem Balkon und ein Schirm, der im Sommer aufgeklappt ist. Dann liegt Janette in ihrem Liegestuhl und jeder, der höher als Erdgeschoß wohnt, kann ihr zugucken dabei. Es würden auch locker zwei oder noch mehr Liegestühle hinpassen, vielleicht sogar so viele, daß dann keiner mehr da ist zum zugucken, aber dazu ist es bis jetzt nicht gekommen. Ich hab mir schon überlegt, ob ich sie nicht mal fragen soll. Wär mal was anderes als immer Isar oder englischer Garten. Unter dem Schirm neben der Birke und den ganzen Blättern und vielleicht noch eine spannende Lektüre. Toll aussehen tut sie ja nicht, die Janette. Na ja, sowieso falsche Zeit jetzt. Fängt gerade mal der Winter an dann bald jetzt. Mal abwarten was passiert so.
Der Markus, der ist immer fröhlich. Zumindest hab ich es nie erlebt, daß er's nicht war. Er hatte eine große Tasche dabei und guckte erst mal in die Luft, als er aus dem Haus draußen war. Sieht den Himmel schlecht in seiner Wohnung. Fenster ist zum Hof und gegenüber gleich vier Stockwerke. Und immer fröhlich, ein Phänomen. Die große Tasche sah aus wie für ein Musikinstrument. Macht auch Sinn, weil Markus spielt für den Gasteig. Das ist ein Backstein-Kulturzentrum schräg gegenüber von unserem Haus, oberhalb von dem Volksbad, mit eigenem Saal für Konzerte und mit eigenem Orchester für den Saal. Markus hat gleich was gemerkt als er uns gesehen hat. Er kam hin zu uns. "Was ist denn hier los?" Ich nickte mit dem Kopf in Richtung offene Tonne. Er beugte sich drüber und kotzte rein. Hatte ich auch schon vorher, und meine Frau hatte es auch gewürgt. Er sah plötzlich gar nicht mehr fröhlich aus. "Was ist das denn?" Er stellte die Tasche auf den Boden. "Gut daß die Johanna nicht da ist." Johanna, genau, so heißt sie. Sie war im zweiten Monat und da sind sie ja besonders sensibel.
Es sah wirklich schlimm aus. Wegen der Lösung. Kann man sich gar nicht vorstellen sowas. Ja und der üble Geruch war natürlich auch da. Markus hat weitermüssen wegen einer Probe. Vorher ging er nochmal hoch schnell sich den Mund abwischen. Als er wieder runterkam sah er auch nicht besser aus. Ging an uns vorbei und an seinem Musikinstrument und kam nochmal zurück deswegen. "Hät ich fast vergessen, für mein Solo." Ich deutete auf die Tasche. "Gitarrensolo?" "Kontrabass, mein Gott wie das stinkt." Er verschwand, und wir haben die Nasen weggedreht so gut das ging und uns erst mal über Bäume unterhalten. Wegen der Ablenkung. Ein Baum hat schon was. Einen Stamm zum Beispiel. Und am Stamm sind die Äste und an den Ästen die Zweige. Und der Übergang zwischen Ast und Zweig ist fließend. Es gibt ein paar Sachen, an denen kann man sich festhalten. Zum Beispiel daran, daß an einer Astgabel nie ein Zweig hängt. Sondern zwei Äste. Deshalb ist eine Schleuder auch immer aus einem Ast gemacht, und nie aus einem Zweig. Wenn sie aus Holz ist. Und keine Wäsche schleudert. Sondern Steine. Ich habe früher eine gehabt aus Holz und mein Bruder auch. Wir waren gut. Haben fahrenden Autos in das Auspuffrohr getroffen mit Steinen oder Schokoladeneiern wenn es Ostern war. Wir sind so lange immer besser geworden, bis mein Bruder auf den Erwin gedeutet hat und gesagt: "Du rechts und ich links." Ich habe genickt nur und dann haben wir ihm die Augen weggeschossen simultan auf sein Kommando. Meisterleistung eigentlich, aber da waren wir schon so gut, daß das kein Problem war. Die Kommandos hat immer mein Bruder gegeben, der war da besser. Zack und los ging's und ohne nochmal groß nachdenken. Ein rotes und ein blaues Schokoladenei. Das linke Auge haben sie ihm noch ein bißchen retten können. Meins nicht. Also dem Erwin sein rechtes halt. Klar, er hätte halt nicht immer durch die Hecke gucken sollen, wenn unser Lieschen sich badete im Garten wenn es Sommer war. In einem Minischwimmbecken aus rotem Plastik, das man vorher aufblasen mußte mit dem Mund weil Paps mal wieder die Luftpumpe vergessen hatte. Diese Ostern war es schon so warm gewesen bei uns, daß sie alle von Klimaerwärmung geredet haben, und Lieschen war beim Baden auch ohne Sommer. Und jetzt will ich hier eine Frage stellen: Haben Tannen zu Ostern Nadeln dran wenn es warm ist wie Sau? Und weil das ja ein Krimi jetzt ist und kein Ich weiß was was du nicht weißt, sag ich's gleich dazu: Das hängt nämlich rein gar nicht ab von der Temperatur. Eine Tanne ist ein immergrüner Nadelbaum. Genau. Im Gegensatz zu der Lärche, die aber in dem Garten nicht so verbreitet ist. Erwin guckte also durch das Immergrün zum letzten Mal endlich und Ostern war's und heiß wie Sommer. Lieschen ist unsere kleine Schwester. Erwin ist unser Onkel. Also der Bruder von unserer Mutter. Der Garten gehört zu dem Haus von unseren Großeltern von der mütterlichen Seite auch und besteht hauptsächlich aus Tannen. Das haben sich die meisten wahrscheinlich schon gedacht jetzt. Und auch die Hecken sind aus Tannen, genau. Oben fein gerade weggeschnibbelt. Haben mein Bruder und ich gemacht wie wir alt genug waren dafür, mit einer Leiter und einer Handgartenschere, die man schleifen mußte alle Nase lang. Heidenarbeit, echt. Und die ganzen Nadeln überall. Schlimmer als Rasenmähen mit der Nagelschere sag ich. Haben wir aber trotzdem gerne gemacht, weil gab zwei Mark für jeden vom Opa. "Glatt wie ein Affenarsch!" hat er zu sagen gepflegt und mit Kennermiene die Tannen gestreichelt oben mit ausgestreckter Hand. Mein Bruder ist jetzt Automechaniker und mag seine Arbeit gar nicht mehr. Ich bin Lehrer und mag meine Arbeit auch nicht. Ist aber nicht so schlimm. Ich verdiene nämlich echt nicht schlecht als Lehrer.
Wenn jetzt jemand wissen will, worum es geht, dann muss er den ganzen Roman lesen. Bis zum Schluss. Das mache ich wegen dem Spannungsbogen. Ausserdem muss er sich gedulden, weil der Roman derzeit zur Herausgabe als Buch bearbeitet wird, und zwar von der

Literaturagentur
Textwerkstatt
www.literaturagent.at

Und da freue ich mich schon riesig.